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Schwert, Messer, Dussack, Rapier - Einhandwaffenlehren im 14.-16. Jahrhundert

Als ich vor über 20 Jahren das Fechten begann, wollte ich ursprünglich gern mit dem typischen mittelalterlichen Schwert, dem Einhandschwert (engl. "arming sword)" das Fechten lernen. Damals waren in den Fechtgruppen jedoch vorwiegend die Quellen zum Langen Schwert interessant und auch später fand ich kaum Gleichgesinnte und die Zeit mich neben dem Langen Schwert auch weiteren Forschungen zu Einhandwaffen zu widmen. So habe ich bis 2012 fast ausschließlich Langes Schwert und zusätzlich Messer nach Lecküchner gefochten. Als ich dann ab 2012/13 Zeit für weitere Forschungen hatte, nutzte ich meine Kompetenzen, um mich zusätzlich den Einhandwaffen des 14.- 16. Jahrhunderts im deutschsprachigen Raum zu widmen. Da sich immer wieder Fechter melden, die ebenfalls gern mit dem Einhandschwert oder anderen Einhandwaffen ohne Beiwaffe fechten lernen wollen, möchte ich im Folgenden einige nur kurze Verweise und Anmerkungen machen, die helfen können das Fechten in den Einhandwaffen des 14.-16. Jahrhunderts zu erforschen und zu lernen. Dabei sei angemerkt, das sich ein Einsteiger lieber einen Lehrer suchen sollten, der einige Jahre Erfahrung mit sich bringt. Denn allein mit Texten ohne Unterstützung oder Erfahrung in Fechtkünsten oder zumindest anderen Kampfkünsten zu lernen, ist ein Weg, den ich nur jenen empfehle, die keine andere Möglichkeit haben.


Es sei auch angemerkt, das sich die Messerlehre Johannes Lecküchners nicht zum Einstieg in das Fechten mit kurzen Wehren eignet. Es fehlt einfach die komplette Grundlagenlehre, welche ihr, wie später aufgezeigt, in anderen Quellen hervorragend erklärt findet.


Die Einhandwaffen werden spätestens im 16. Jahrhundert allgemein als "kurze Wehren" bezeichnet. Zu den typischen dieser Wehren zählen im deutschsprachigen Raum dieser Zeit Schwert, Messer, Dussack und Rapier. Die Fechtkunst wird im angesprochenen Zeitraum nicht als eine rein waffenspezifische Kunst angesehen, sondern vielmehr als eine Kunst, die allgemeine Prinzipien hat, die es mit und durch die verschiedenen Wehren zu lernen und zu verstehen gilt. Als erste Quelle, die uns gezielt auf das Lernen der verschiedenen Wehren verweist kann die Handschrift GNM HS 3227a[1] angesehen werden. Diese verweist sehr klar auf eine didaktische Struktur innerhalb der Fechtkunst, bei welcher zuerst das Ringen, dann das Messer und anschließend das (Lange) Schwert und die Stange folgen sollen.


"Und wisse, das alle höbischeit kompt von deme ringen, und alle fechten komen ursachlich und gruntlich vom ringen: Czum ersten das fechten mit dem langen messer, aus dem kumpt das fechten mit dem swerte."[2]


"Wer do mit dem langen messer wil

fechten lernen / wen aus dem langen

messer / ist / das swert genomen vnd

funden / [...]"[3]


"Wer do mit der stangen wil fechten lernen

der sal von aller ersten wissen

vnd merken / [...]

das daz fechten mit der stangen / ist / aus

dem swerte genomen / Vnd als eyner ficht

mit dem swerte / zo fechte her och mit der stangen."[4]

[1] Das Wort ist oberhalb der Zeile nachgetragen.


Das Messer scheint hierbei als Fechtwaffe für die Grundlagenausbildung gedient zu haben, denn auch spätere Quellen berichten zumindest für kurze Wehren allgemeinen, das das Messer die Basis für diese sei. Ein gutes Beispiel dafür ist etwa Andre Paurñfeyndt, der uns eben dies mitteilt.


"DAS ANDER CAPITEL lernet wie man phfortail prauchñ sol ym messer vnd hat pesunder nit vermert nem͂ / von wegñ der manigfaltikat / vñ ist ein forgãg vñ hauptursach ander werñ die gpraucht werdñ mit ainer hand alsz ist der Tessack oder tolich / spatel oder handtegñ / vnd ander vil mer czu ainer hand die ich von kurz wegñ ausz lasz [...]"[5]



Paurnfeindt 1516, Tafel 20 zum Messer

Die Bedeutung des Messers schwindet dabei im 16. Jahrhundert zunehmend und der Dussack tritt allmählich an dessen Stelle als Standardfechtwaffe für kurze Wehren. Während wir also noch zu Beginn des 16. Jahrhundert bei Andre Paurñfeyndt das Messer hervorgehoben finden und auch bei Paulus Hektor Mair der Dussack noch mit den Zedeln des Messers verbunden wird, so zeigt sich in den verschiedenen Werken Joachim Meyers der Wandel und die Beziehungen von Messer, Dussack und Rapier präzise auf. In seinem Rostocker Manuskript, in welchem Meyer auch die älteren Zedel- und Glossen der Lichtenauerlehre des 15. Jahrhunderts kompiliert, beginnt er seine eigenen Anweisungen zu Einhandwaffen unter dem Rapier zusammenzutragen. Nicht nur das er hier zu Beginn den Begriff Messer statt Rapier nutzt. Auch aus den Stücken ist der Bezug zu den Lehren Lichtenauers und Lecküchners und damit dem Messer zu erkennen. Meyer verbindet sein Können Wissen in den verschiedenen Lehren zum Fechten mit Einhandwaffen, wie er es in seiner Zeit von verschiedenen Meistern erfahren hat, zu einem umfassenden System mit althergebrachten Fachbegriffen der "Deutschen Schule". Ein nahezu einzigartiger Ansatz. In seinen späteren Fechtbüchern[5] nutzt er dann gezielt den Dussack las Standardfechtwaffe zum Erlernen des Fechtens mit kurzen Wehren. Das Rapier dient dann vorwiegend dem Erlernen der Besonderheiten zum Fechten mit Stichen und den Eigenheiten des Rapiers. Weiterhin nennt er den Dussack als die allgemeine Einführungswaffe zum Erlernen der Häue für alle Fechtwaffen. Indem er in seinem gedruckten Wert darauf hinweist, das man besonders im Teil zum Dussack die Grundlagenregeln zum Erlernen der Häue findet. Diese sind also universell anwendbar, wie nahezu alle von Meyer gelehrten Regeln.


"Wiltu fechten zu einer hand

Die zwelf heiw mach dür bekand "[5]


"Was Auf dich würd gericht

Zornhauw ort das brücht"[6]


"Hauwt dür einer ein oberhauw So hauw mit eim zornhauw in sins messers sterk..."[7]


Da Meyer das einzige und zudem umfassendste Lehrbuch mit einer gewaltigen Grundlagenlehre zur "Deutschen Schule" enthält, sollte er aus meiner Sicht für jegliche Grundlagenlehre für Einhandwaffen herangezogen werden und anschließend um das Rapier nach Meyer und Lecküchners Messerlehre erweitert werden, da sich dort die stichlastigen Techniken für vorwiegend gerade Klingen finden lassen. Auch Meyers Rostocker Werk ist eine vorzügliche Lektüre, um die kurzen Wehren zu erlernen und zu verbinden. Die Lehren zum Messer in der GNM HS 3227a können letztlich eine tolle Ergänzung sein, um die an sich gleichbleibenden Fechttechniken zu verstehen, die sich vorzugsweise in der Verschiedenheit ihrer Fachbegriffe unterscheiden.


"Ordenliche Beschreibung und anwei-

sung des Fechtens im Dusacken / darin vil mannliche und ge-

schwinde Stuke / durch welche die angehende Schüler zur behendig-

keit / volgends im Rapier zufechten / so vil deß besser mögen

abgericht werden / in guter ordnung begriffen /

und nach einander fürgestellet."[8]


"Will derhalben denselbigen (den Dussack) / als der bey uns Teüt-

schen nachdem Schwerdt nicht allein am breuchlichsten / Sonder auch als

ein anfange uñ grundt aller Wehr / so zü einer Handt gebraucht werden / hieher setzen / und

volgends mit allen umbstenden / und zugehörenden stucken / der ordnunge nach handlen

und erklären."[9]


Meyer 1570 Dussack Tafel A

Joachim Meyers Lehre zu kurzen Wehren der Deutschen Schule ist einzigartig in seiner klaren Didaktik. Sie ist detaillierter erläutert als die Lehre im Langen Schwert. Aus meiner Sicht gibt es keine bessere Quelle, um das Fechten mit kurzen Wehren zu erlernen. Ihr findet dort alle notwendigen technischen und taktischen Elemente der Fechtkunst nahezu genauso vollständig, wie in modernen Lehrbüchern.


Wer sich also wie ich mit dem Einhandschwert und anderen kurzen Wehren ohne Beiwaffe beschäftigen möchte, der sollte dabei mit Joachim Meyers Dussacklehre beginnen und sich im Anschluss seinem Rapier widmen. Dabei sollten schließlich auch Meyers Lehren im Rostocker Manuskript studiert werden, welche eine ideale Verknüpfung zu Lecküchners Messerlehre sind. Die Krönung kann dann die gewaltige Arbeit Lecküchners werden, die sich ohne all dieses Vorwissen nur schwer und ohnehin langwierig erschließen lässt.


Ich arbeite nun seit mehr als 9 Jahren mit und an diesen Quellen und habe ein eigenes Curriculum geschaffen, mit dem ich höchst zufrieden bin. Mit den obigen Quellen könnt ihr gut an euren Kompetenzen arbeiten. Auch alle, die das Bucklerfechten zum Ziel ihrer Ausbildung haben, sollten sich zuvor dieser Einhandlehre unterziehen. Denn man sollte zuerst eine Hand beherrschen, um sich dann der zweiten Hand, für die Beiwaffe, umso einfacher widmen zu können.


Videos und anderes Material findet ihr auf meinem Youtube-Channel, in der Online-Videothek und dem kostenfreien Online-Kennenlernkurs. Weiteres Online-Material zu den kurzen Wehren befindet sich im Aufbau. Für das Historische Fechten optimierte Fechtschwerter findet ihr hier.


Viel Spaß beim Lernen und hoffentlich bis bald!




[1] Germanisches Nationalmuseum (GNM) Anonyme Handschrift HS 3227a.

[2] Ebenda fol. 86r.

[3] Ebenda fol. 82r.

[4] Ebenda fol. 78r.

[5] Andre Paurñfeyndt, Ritterlicher Kunst der Fechterey, Wien 1516 S. 45.

[6] Meyer, Rostock fol. 112r

[7] Ebenda

[8] Meyer, Rostock fol. 112v

[9] Meyer, Gründtliche Beschreibung der Kunst, 1570, I 65r.

[10] Ebenda II 1r.



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